Spannungen im Management nachhaltiger Unternehmen

Einführung

Wie werden Schwierigkeiten, Ungewissheit, Widersprüche oder Rückschläge bei dem Aufbau sowie der Handhabe nachhaltiger transnationaler Lieferketten erlebt?

Diese Frage betrifft sowohl CSR-Manager als auch CSR-Berater gleichermaßen. Sie betrifft aber vor allem den Erfolg einer CSR Policy, wie im Folgenden näher erläutert werden soll.

Wir wissen noch nichts Genaueres darüber, wie CSR-Manager mit Rückschlägen, Ungewissheit usw. umgehen, im Sinne der emotionalen Regulation, im Sinne der Sinnbildung – insbesondere dann, wenn über einen längeren Zeitraum, etwa 2 bis 4 Jahre (oder so), Ziele nicht erreicht, Nachhaltigkeitsstandards nicht oder nur approximativ erfüllt werden können. Die Erforschung dieser allgemeinen Fragestellung hat mich vor mittlerweile acht Jahren angespornt, eine Dissertation darüber zu schreiben. Die Dissertation wurde mittlerweile abgeschlossen, die besagte Frage konnte aber nicht beantwortet werden – vielmehr stellte sich heraus, dass eine dafür geeignete theoretische Basis erst konstruiert werden musste, die dazugehörige Methodik ebenso.

Ein Schritt nach dem anderen: Es ist erforderlich, einige Begriffe einzuführen und zu definieren, um das besagte Problem zu vertiefen, die bisher angestellte Forschung zu umreißen und die bevorstehenden Schritte auszubreiten.

Kernbegriffe

Ein CSR-Manager oder eine Beraterin ist ein Akteur, der in einer Organisation Entscheidungen bezüglich der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards trifft – das vielmehr muss, weil es Teil seines Arbeitsauftrags ist und insofern für diese Entscheidungen und ihren Outcome gänzlich oder zumindest partiell persönlich verantwortlich ist.

Ein CSR-Berater oder eine Beraterin ist ein Akteur, dessen Job darin besteht, CSR-Manager zu beraten, ihnen beim Erreichen ihrer Ziele beizustehen – das ist gewissermaßen selbsterklärend, aber diese Rolle ist im hier beobachteten Kontext sehr spezifisch. Das soll hervorgehoben werden, weil solche Akteure organisationsextern sind. [WEITER PRÄZISIEREN?]

Ferner ist der Begriff CSR-Standard zentral; auch dieser ist gewissermaßen selbsterklärend, aber es soll hervorgehoben werden, dass es verschiedene Standards gibt, die sich im Hinblick auf die Strenge ihres Regelwerks mitunter auch stark unterscheiden – also im Hinblick auf die Anforderungen, die sie an eine Organisation sowie an das CSR-Management stellen.

Approximation oder Abweichung vs. Erfüllung und ähnliche Begriffe werden verwendet, um die Ergebnisse der Arbeit von CSR-Managern und CSR-Beratern zu charakterisieren. Hier wird hervorgehoben, dass, während einerseits die Vorstellung, dass man einen CSR-Standard erfüllt, sehr einfach ist, es nicht verwundert, wenn das in der Praxis nicht ohne Weiteres gelingt – wenn bezüglich der Erfüllung des einen oder anderen Ziels zumindest kurz-, aber oft mittel- bis langfristig Kompromisse gemacht werden müssen. Zum Beispiel, wenn trotz der Offensichtlichkeit, dass die Welt im Plastik versinkt, die Herstellung dieses umstrittenen Rohstoffs erst bis 2050 um so und so viel Prozent verringert werden soll. Welch kindliche Naivität – und zugleich effektive, konsequent nachhaltige Vorgehensweise – würde es nur erträumen, jetzt sofort kein Plastik mehr herzustellen.

Die Psyche

Mit diesem Basissatz an Begriffen erfolgt nun eine erste Annäherung an das Problem. Den Ausgangspunkt bilden allgemeine Erkenntnisse darüber, wie Menschen Ereignisse erleben, die von ihren Erwartungen, von ihrer Moral, von ihren Wünschen abweichen. Salopp gesagt: wie Menschen damit umgehen, dass etwas nicht so läuft, wie es sollte.

Es gibt zahlreiche Theorien, auf die man sich hier berufen kann – es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es soll auch auf eine allzu technische Sprache verzichtet werden, zugunsten einer umgänglichen Ausdrucksweise. Diese Freiheit haben wir hier; es geht zwar um wissenschaftliche Erkenntnisse, und die Forschung, über die berichtet wird, strotzt nur so von wissenschaftlichem Rigor, aber das hier ist zu guter Letzt kein wissenschaftlicher Text – eher ein populärwissenschaftlicher.

Die menschliche Wahrnehmung ist ganz allgemein so beschaffen, dass unvollständige Wahrnehmungsinhalte – etwa Formen – ergänzt werden, meistens so, dass sie mit bereits Erfahrenem übereinstimmen. Die Wolke in der folgenden Abbildung erscheint unserem Auge (zumindest mir) als eine menschliche Gestalt.

Menschen neigen ferner dazu, die Wahrnehmung von Dingen, die nicht laufen, wie sie sollten, so zurechtzubiegen, dass es „weniger schmerzt“. Hierbei ist nicht notwendigerweise von körperlichem Schmerz und auch nicht von Schmerz im engeren Sinn die Rede. Vielmehr ist von psychischen Spannungen die Rede, die jedenfalls nicht angenehm sind – mitunter aber auch die Form von persönlichen Krisen annehmen können, sodass die Analogie mit dem Schmerz doch nicht ganz weit hergeholt ist.

Zum Beispiel berichtet Gioia (1991) darüber, wie er selbst 20 Jahre nachdem er gemeinsam mit anderen im Management von Ford Motor Company abgewogen hatte, ob eine Rückrufaktion des berüchtigten Ford Pinto oder das Auszahlen der Unfalltoten rentabler wäre – wobei sie sich dann für Letzteres entschlossen hatten. Und es ist ganz nachvollziehbar, wenn das Erleben solcher Spannungen als schmerzhaft erlebt wird.

Der erste Baustein des hier dargebotenen psychologischen Modells ist, dass diesen Entscheidungsträgern zum Zeitpunkt ihrer Abwägungen nicht bewusst, nicht greifbar war, wie grotesk das alles war.

Die Theorie der kognitiven Dissonanz in der Tradition von Festinger (1957) gehört zu den Wegbereitern der Grundlagen, auf denen hier aufgebaut wird – aber es wird, wie gesagt, kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Nützlicher und näher am hier behandelten Gegenstand ist die sozialkognitive Theorie der Selbstregulation nach Bandura (1991). Es geht darin unter anderem darum, dass Menschen – was heißt eigentlich „Menschen“ (?) – dass wir in der Lage sind, mit gutem Gewissen Dinge zu tun, obwohl sie mit verinnerlichten gesellschaftlichen Verhaltensstandards gar nicht zusammenpassen.

Ein banales Beispiel ist, wenn ein Kind ein anderes Kind schlägt und sich damit rechtfertigt, das andere Kind sei Schuld daran, es verärgert zu haben. Mit Bandura – aber nicht nur – würde man in einem solchen Fall von Externalisierung der Verantwortung sprechen.

Spannender im Kontext der Erfüllung bzw. der Missachtung von CSR-Standards wird es mit den Arbeiten von Bandura, Caprara & Zsolnai (2000) oder White, Bandura & Bero (2009).

Literatur

  • Bandura, A. (1991). Social cognitive theory of self-regulation. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50(2), 248–287. DOI
  • Bandura, A., Caprara, G.-V. & Zsolnai, L. (2000). Corporate Transgressions Through Moral Disengagement. Journal of Human Values, 6(1), 57–64. DOI
  • Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford University Press.
  • Gioia, D. A. (1992). Pinto Fires and Personal Ethics: A Script Analysis of Missed Opportunities. Journal of Business Ethics, 11(5/6), 379–389.
  • White, J., Bandura, A. & Bero, L. (2009). Moral Disengagement in the Corporate World. Accountability in Research, 16(1), 41–74. DOI
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