Arbeitsklima & Wissenstransfer

Wissen teilen statt bunkern: Warum das Arbeitsklima den Unterschied macht

In vielen Organisationen gibt es Prozesse, Softwarelösungen und Strategiepapiere für den sogenannten Wissenstransfer. Und trotzdem bleibt Wissen oft dort, wo es ist: in den Köpfen einzelner. Warum? Ein wesentlicher Grund liegt im Arbeitsklima. Denn selbst das beste Wissensmanagement nützt wenig, wenn die Bedingungen nicht stimmen.

Arbeitsklima als Grundlage für Wissenstransfer

Wissen wird nicht einfach weitergegeben, weil es auf der Agenda steht. Menschen teilen Wissen dann, wenn sie sich sicher fühlen. Die organisationspsychologische Forschung spricht in diesem Zusammenhang von psychologischer Sicherheit (Edmondson, 1999). Sie entsteht dort, wo Menschen keine Angst haben, durch Fragen, Kritik oder unvollständige Informationen an Status zu verlieren. Ohne diese Sicherheit bleibt vieles unausgesprochen.

Auch das generelle Kommunikationsklima spielt eine Rolle. In einem Umfeld, das von Offenheit und Respekt geprägt ist, werden Informationen bereitwilliger geteilt – gerade auch informell, im Alltag zwischen Meetings, Mails und Küchengesprächen (Schneider, Ehrhart & Macey, 2013).

Konkurrenz verhindert Teilen

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Art der Zusammenarbeit. In Organisationen mit starkem Wettbewerbsklima und individueller Leistungsbewertung neigen Mitarbeitende dazu, Wissen für sich zu behalten. Es wird als Ressource verstanden, die Macht und Kontrolle verschafft. Die Folge: Wissenstransfer stockt (Argote, McEvily & Reagans, 2003).

Wie lässt sich ein förderliches Klima schaffen?

Ein produktives Arbeitsklima ist gestaltbar – aber nicht durch Appelle oder Mood-Postings im Intranet. Sondern durch gezielte Interventionen auf mehreren Ebenen:

  • Führungsverhalten: Führungskräfte setzen den Ton. Sie können psychologische Sicherheit fördern, indem sie Fehler als Lernchance thematisieren, Fragen zulassen und selbst transparent kommunizieren (Edmondson, 1999).
  • Teaminterventionen: Methoden wie Team-Reviews, Retrospektiven oder strukturierte Feedbackrunden schaffen Routinen für Wissensaustausch und Reflexion. Moderation und klare Regeln fördern dabei die Beteiligung aller.
  • Strukturelle Bedingungen: Auch Anreizsysteme, Zeitressourcen und die Gestaltung von Räumen (physisch wie digital) beeinflussen das Klima. Wer permanent im operativen Hamsterrad läuft, wird kein Wissen teilen. Weil schlicht die Energie fehlt.

Wissenstransfer ist ein Prozess

Wissenstransfer lässt sich nicht per Knopfdruck einschalten. Er entwickelt sich über die Zeit. Vertrauen, Sicherheit und Kooperationsbereitschaft entstehen durch wiederholte, positive Erfahrungen – nicht durch einmalige Workshops oder Tools. Die Forschung spricht hier von sozialen und organisationalen Lernprozessen (Argyris & Schön, 1978).

Diese Prozesse sind anfällig für Rückschläge: Wenn etwa Öffnung mit Abwertung beantwortet wird, kann Vertrauen schnell wieder verloren gehen. Kontinuität und Verbindlichkeit sind deshalb entscheidend.

Fazit

Wissenstransfer ist kein Tool-Problem, sondern eine Frage der Beziehungsgestaltung. Und diese wiederum hängt entscheidend vom Arbeitsklima ab. Wer dieses gezielt entwickelt, schafft die Grundlage für produktives Lernen, Zusammenarbeit und Innovation.


Literaturverzeichnis

Argote, L., McEvily, B., & Reagans, R. (2003). Managing knowledge in organizations: An integrative framework and review of emerging themes. Management Science, 49(4), 571–582. https://doi.org/10.1287/mnsc.49.4.571.17420

Argyris, C., & Schön, D. A. (1978). Organizational learning: A theory of action perspective. Addison-Wesley.

Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383. https://doi.org/10.2307/2666999

Schneider, B., Ehrhart, M. G., & Macey, W. H. (2013). Organizational climate and culture. Annual Review of Psychology, 64, 361–388. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-113011-143809

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