Die Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten, beeinflussen ihre psychische und physische Gesundheit maßgeblich. Aus arbeitspsychologischer Perspektive – insbesondere im Rahmen der Handlungsregulationstheorie – steht die aktive Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Arbeit im Mittelpunkt. Gesundheit wird hier nicht nur als Abwesenheit von Krankheit verstanden, sondern als Zustand der psychischen Funktionsfähigkeit, der durch die Qualität der Arbeit wesentlich geprägt wird (Hacker & Sachse, 2014; Volpert & Österreich, 1989).
Anforderungen, Ressourcen und Regulationsmöglichkeiten
Zentrale Annahme der Handlungsregulationstheorie ist, dass Menschen im Arbeitsprozess aktiv und zielgerichtet handeln. Dabei stehen sie in einem dynamischen Verhältnis zu den Bedingungen, unter denen sie Aufgaben bewältigen müssen. Gesundheitsförderlich ist Arbeit dann, wenn sie vollständige Tätigkeiten ermöglicht – also solche, die Planung, Ausführung und Kontrolle durch die arbeitende Person selbst umfassen (Hacker, 2005). Diese Form der Arbeit fördert nicht nur Kompetenzentwicklung und Motivation, sondern reduziert auch das Risiko psychischer Fehlbeanspruchung.
Demgegenüber gelten Arbeitsbedingungen als gesundheitsgefährdend, wenn sie chronisch unterfordernd, stark fremdbestimmt oder von einem hohen Maß an Regulationshindernissen geprägt sind. Letztere entstehen etwa durch widersprüchliche Anforderungen, Zeitdruck oder fehlende Informationen (Volpert & Hacker, 2004). Studien zeigen, dass solche Bedingungen mit Stress, Erschöpfung und langfristig mit gesundheitlichen Beschwerden einhergehen können (Büssing, 1993; Höge & Glaser, 2003).
Gestaltungsspielräume und psychische Gesundheit
Ein zentrales Konzept ist der Gestaltungsspielraum bei der Arbeit. Dunckel und Resch (1990) betonen, dass psychische Gesundheit besonders dann gefördert wird, wenn Beschäftigte Handlungsspielräume erleben, die ihnen erlauben, Aufgaben im Sinne eigener Ziele und Werte zu gestalten. Dies umfasst auch soziale Ressourcen wie Unterstützung durch Kolleg:innen oder Vorgesetzte.
Glaser und Höge (2005) weisen darauf hin, dass nicht nur objektive Merkmale der Arbeit entscheidend sind, sondern auch die subjektive Bewertung durch die Arbeitenden. Gerade bei höher qualifizierten Tätigkeiten spielt die Möglichkeit zur autonomen Zielsetzung und Problemlösung eine bedeutende Rolle für das Wohlbefinden.
Was Arbeitspsycholog:innen beitragen können
Arbeitspsycholog:innen können auf mehreren Ebenen dazu beitragen, gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen:
- Analyse und Bewertung der Arbeitsgestaltung: Mittels arbeitspsychologischer Verfahren (z. B. Tätigkeitsanalyse, Screening-Instrumente) werden gesundheitsrelevante Belastungen und Ressourcen identifiziert.
- Mitgestaltung ergonomischer und psychologisch sinnvoller Arbeitssysteme: Durch Anwendung der Handlungsregulationstheorie können Tätigkeiten so gestaltet werden, dass sie vollständiges, lernförderliches und sinnstiftendes Handeln ermöglichen.
- Beratung und Qualifizierung: Arbeitspsycholog:innen beraten Führungskräfte und betriebliche Akteur:innen bei der Einführung gesundheitsförderlicher Maßnahmen und führen Trainings z. B. zu stressregulierendem Führungsverhalten durch (Höge et al., 2012).
- Partizipative Veränderungsprozesse: Indem sie die Perspektiven der Beschäftigten systematisch einbinden, fördern sie eine nachhaltige betriebliche Gesundheitsentwicklung.
Insgesamt zeigt sich, dass gesunde Arbeit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern Ergebnis gezielter psychologischer und organisatorischer Gestaltung. Die arbeitspsychologische Forschung liefert hierfür nicht nur theoretische Konzepte, sondern auch praxisnahe Methoden.
Literaturverzeichnis
Volpert, W., & Hacker, W. (2004). Arbeitspsychologie. In W. Schönpflug (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Serie Arbeitspsychologie (Bd. 1, S. 1–64). Göttingen: Hogrefe.
Büssing, A. (1993). Arbeitsbedingungen, Streß und Gesundheit. Göttingen: Hogrefe.
Dunckel, H., & Resch, M. (1990). Arbeitspsychologie: Ein Lehrbuch. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Glaser, J., & Höge, T. (2005). Arbeit und Gesundheit aus psychologischer Perspektive. In M. Badura & I. Schröder (Hrsg.), Betriebliche Gesundheitspolitik (S. 199–218). Wiesbaden: Springer.
Hacker, W. (2005). Allgemeine Arbeitspsychologie: Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten (3. Aufl.). Bern: Huber.
Hacker, W., & Sachse, P. (2014). Arbeitspsychologie: Psychische Struktur und Regulation von Arbeitstätigkeiten. Berlin: Springer.
Höge, T., & Glaser, J. (2003). Burnout und Arbeitsengagement: Eine differenzielle Betrachtung beruflicher Beanspruchungsmuster. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 47(2), 78–89. https://doi.org/10.1026//0932-4089.47.2.78
Höge, T., Glaser, J., & Grote, G. (2012). Führung und Gesundheit: Ein integratives Rahmenmodell. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 43(3), 205–214. https://doi.org/10.1007/s11612-012-0171-3
Volpert, W., & Österreich, D. (1989). Zur Diagnose von Arbeitsinhalten: Das Tätigkeitsbewertungsverfahren (TBS). In H. Dunckel (Hrsg.), Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren (S. 75–101). Zürich: vdf Hochschulverlag.